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Nivedita ist sechsundzwanzig Jahre alt und studiert in Düsseldorf bei Prof. Dr. Saraswati Postcolonial Studies. Endlich scheint für Nivedita, die selbst eine Person of Colour ist, alles Sinn zu ergeben. Doch als herauskommt, dass Saraswati weiß ist und sich ein Skandal inklusive Shitstorm in den sozialen Medien losbricht, ist Nivedita am Boden zerstört. Sie will Antworten und holt sich diese direkt bei ihrer ehemaligen Professorin.
Mithu Sanyal legt nach ihren erfolgreichen Sachbüchern »Vulva. Das unsichtbare Geschlecht« und »Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens« mit »Identitti« ihren ersten Roman vor und wagt sich sogleich auf ein heißes Brett um die gesellschaftlichen Debatten über Rassismus und Identitätspolitik.
Auch, wenn man selbst keine Person of Colour ist fällt es leicht Mithu Sanyal zu folgen, die Probleme zu verstehen, die Nivedita alleine aufgrund ihrer Herkunft, polnische Mutter und indischer Vater, seit frühester Kindheit begleiten. Ausgrenzung wird schmerzlich bewusst gemacht, als die achtjährige Nivedita bei einem Besuch ihrer Cousine Priti in England von den anderen Kindern als »Coconut« – außen braun und innen weiß – verlacht wird.
Rassismus bedeutet nicht – oder zumindest nicht nur -, dass andere Menschen denken, dass du nicht dazugehörst. Rassismus bedeutet, dass du dich selbst als nicht zugehörig empfindest.
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Sanyal versteht es die gesellschaftlichen Begriffe von Race, Hautfarbe und dem historischen Erbe aus der Kolonialzeit aufzubrechen und an den wirklich wichtigen Fragen zu rühren. Das alles auf eine aufrüttelnde Art und Weise, die die Gehirnwindungen in einer wilden Karussellfahrt ordentlich durchspülen.
Anhand der Demontage von Niveditas Professorin Saraswati, die sich durch eine Hormonbehandlung die Identität einer Person of Colour übergestülpt hat, bricht ein Sturm über der jungen Frau zusammen, denn was ist, wenn wir uns von den verhärteten Betrachtungen lösen müssen und Identität als genauso wandelbar wie das Geschlecht ansehen sollten? Schließlich sind wir unter unserer Haut, egal welche Farbe diese trägt, doch alle gleich.
Weiße sind nicht der Feind, sie besetzten nur eine andere Position in dem Netz von Macht und Entmachtung, das wir Rassismus nennen. Auch sie können nicht einfach menschlich sein, wenn sie weiß sein müssen.
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»Identitti« wäre allerdings nicht halb so unterhaltsam, wenn die skurrilen Zwiegespräche zwischen Nivedita und ihrer imaginären Gesprächspartnerin Kali, einer indischen Göttin mit mehreren Armen, die die Köpfe ihrer Feinde als Gürtel trägt, beigemengt worden wären. Diese Intermezzos sind erfrischend und lockern die aufgeheizte Geschichte spürbar auf. Interessant ist natürlich auch, dass Nivedita sich gerade Kali erwählt hat, die in der indischen Mythologie als todbringende Macht bekannt ist.
Ein kluger und irrsinnig wichtiger Roman über Rassismus und Identität, mit Gefühl und Charme erzählt.
Titel: Identitti
Autorin: Mithu M. Sanyal
Genre: Gegenwartsliteratur
Verlag: Hanser Literaturverlage
ISBN-13: 978-3446269217
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 432 Seiten
Preis: 22,00 €
Erschienen: 15. Februar 2021
Mithu Sanyal wurde 1971 in Düsseldorf geboren und ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin, Journalistin und Kritikerin. 2009 erschien ihr Sachbuch „Vulva. Das unsichtbare Geschlecht“, 2016 „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“. 2021 erscheint im Hanser Verlag ihr erster Roman “ Identitti“.
Quelle: Hanser Literaturverlage
Ich würde sagen, dass dieses Buch ziemlich einzigartig für den deutschen Kontext ist.
poco.lit
Ein Roman voller Liebe, Pop und Intelligenz.
SWR2
„Identitti“ ist schräg, witzig, herausfordernd. Ein kluger, schillernder Beitrag zu einer ebenso nötigen wie wichtigen Debatte über Identität und Rassismus, die oftmals verbissen, hier hingegen auf erfrischende Weise und ohne Scheuklappen geführt wird.
NDR
Hallöchen,
jetzt musste ich gleich auf den PC switchen, um mal zu kommentieren (was ich viiiel zu selten mache), aber auf dem Handy funzt das meist ned so wie ich will.
In letzter Zeit habe ich von Dir die besten Buchtipps erhalten und immer wieder tolle Entdeckungen gemacht, das muss ich echt mal sagen *g*. So nun auch dieses Buch hier. Sach- und Fachbücher zum Thema Rassismus überschwemmen ja derzeit den Buchmarkt, was ich persönlich wichtig und richtig finde, jedoch hat das immer etwas von einem erhobenen Zeigefinger. Daher bin ich auf der Suche nach tollen Romanen, die dieses Thema behandeln und den Menschen auf diese Art zugänglicher machen.
Dieses Buch scheint eines jener zu sein und somit….schwupps…auf meine WL.
Vielen, vielen Dank für die tolle Rezension.
Liebe Grüße aus dem arschkalten Wien
Conny
Liebe Conny,
das freut mich so sehr zu lesen! Wenn sich die Wunschzettel meiner Leser*innen füllen ist das immer wieder ein toller Ansporn für mich :)
Wenn du einen guten Roman zu dem Thema Rassismus lesen willst, der die verschiedenen Auswüchse und Perspektiven davon betrachtet und dabei noch unterhaltsam ist, bist du bei „Identitti“ auf jeden Fall goldrichtig!
Tausend Dank für deinen tollen Kommentar!
Fühl dich gedrückt und liebe Grüße nach Wien
Bella
[…] Bella’s Wonderworldw_orten & meermissmesmerizedPoesierauschLiteraturReichFrank O. RudkoffskyBookster HROWallis Büchersichten […]
[…] Herz brennt für Klassiker und als ich sah, dass die großartige Autorin von »Idenditti« etwas über Emily Brontë und deren einzigen veröffentlichen Roman ›Sturmhöhe‹ bzw. […]