{Rezension} Hundepark von Sofi Oksanen


Lesedauer: 4 Minuten

In einem Hundepark in Helsinki sitzt Olenka auf einer Bank und beobachtet heimlich eine Familie, doch sie bleibt nicht unbemerkt, denn neben ihr lässt sich eine Frau nieder, die ihr durchaus bekannt ist. Daria stammt aus Olenkas Vergangenheit, einst waren sie Freundinnen, doch nun befürchtet Olenka die Rache des Mädchens, dessen Leben sie einst zerstörte. Eines vereint die Frauen jedoch immer noch, ihre Kinder im Park, die von ihrer Existenz nichts ahnen…

Der Markt mit der Leihmutterschaft in der Ukraine kommt reichen europäischen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch zupass. Doch wie geht es den Frauen, die vom lukrativen Business mit den Eizellenspenden ausgebeutet werden? Welch gefährliche Lebensverhältnisse prägen sie? Diesen Fragen geht Sofi Oskanen in ihrem erschütternden Roman »Hundepark« nach.

Olenka war selbst Spenderin, hat sich mit ihrem zielstrebigen Pragmatismus in der Karriereleiter jedoch schnell nach oben gekämpft und dennoch alles verloren. Vor ihrer Vergangenheit in der Ukraine ist Olenka mit falschen Papieren nach Finnland geflohen, wo sie sich als Putzfrau durchschlägt, doch schon bald holen sie die Ereignisse ein.

In geschickt gewählten Sequenzen lässt Sofi Oksanen die Puzzleteilchen aus der Vergangenheit der 1990er und frühen 2000er Jahre ins Blickfeld der Leserinnen und Leser geraten und zusammen mit dem gegenwärtigen Erzählstrang aus dem Jahre 2016 ergibt sich nach und nach ein brisantes Bild mit nervenaufreibenden Thriller-Vibes. Spannung und emotional ergreifende Achterbahnfahrt inbegriffen.

Der brillante Erzählstil von Sofi Oksanen beeindruckt und fordert heraus, eine Geschichte zum hineindenken und mitfiebern. Auch wenn man sich über eine lange Zeit die Frage stellt, wem Olenka als Ich-Erzählerin ihre Story erzählt – schließlich fällt auch dieses Puzzlestück an seinen Platz.

Die Einkünfte, die Geschenke und das Reisen waren nicht die einzigen Anreize dieser Arbeit. Auch das Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit machte süchtig, und kaum ein Mädchen beließ es bei einer einzigen Spende.
Seite 136


Erschüttert hat mich das Geschäft der osteuropäischen Fruchtbarkeitsindustrie, welches für die ukrainischen Frauen Fluch und Segen zugleich bedeutet und in Olenka versinnbildlicht wird. Die Armut und Perspektivlosigkeit treiben Olenka auf diesen Pfad, nachdem sie einen Modeljob in den Sand setzte und ihre Familie vor einer Abhängigkeit der Opium-Bosse schützen will. Sie ist eine der Frauen, die aus ihrer Not heraus die dargebotene Möglichkeit annehmen. Daria zählt auch zu diesen Frauen, doch sie konnte sich nicht aus den Fängen der Eizellspenderinnen-Maschinerie befreien. Zwei Frauen, körperlich wie auch psychisch ausgebeutet von einem unmoralischen System.

Nur die künftigen Eltern genossen juristischen Schutz, während Spenderinnen und Leihmütter keinerlei Rechte besaßen.
Seite 173


»Hundepark« ist keine leichte Lektüre, es fordert den Leser heraus, sich den politischen und soziokulturellen Unterschieden zwischen Ost und West zu stellen. Ein brisanter Thriller, der gerne noch etwas ausführlicher zum Thema Leihmutterschaft hätte ausfallen dürfen. Mein Interesse bezüglich der östlichen Gesellschaft konnte Sofi Oksanen jedoch wecken, sodass ich gerne noch mehr aus diesem Bereich lesen möchte.


Ein durchdringender Roman über das ukrainische Geschäft mit dem Kinderwunsch, brillant erzählt und spannend wie ein Thriller.

★★★★☆

*WERBUNG*

Titel: Hundepark
Originaltitel: Koirapuisto
Autorin: Sofi Oksanen
Übersetzerin: Angela Plöger
Genre: Gegenwartsliteratur
Verlag: Kiephenheuer & Witsch
ISBN-13: 978-3462000115
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 480 Seiten
Preis: 23,00 €
Erschienen: 13. Januar 2022

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Sofi Oksanen, geboren 1977, Tochter einer estnischen Mutter und eines finnischen Vaters, studierte Dramaturgie an der Theaterakademie von Helsinki. Ihr dritter Roman, »Fegefeuer«, war monatelang Nummer eins der finnischen Bestsellerliste und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Finlandia-Preis, dem Literaturpreis des Nordischen Rates und dem Prix Femina. Der Roman erschien in über vierzig Ländern und machte die Autorin auch in Deutschland zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der internationalen Gegenwartsliteratur. Sofi Oksanen lebt in Helsinki.

Quelle: Kiepenheuer & Witsch

[…]ein aufrüttelndes, sehr intensives Buch, das wütend macht.
Die Buchbloggerin

Für diejenigen Leser:innen, die an osteuropäischer Geschichte und Romanen mit komplexen soziokulturellen Nuancen, vielschichtigen Figurendynamiken, düsteren Machenschaften und stilistischen Meisterleistungen interessiert sind, spreche ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus […]
Literarische Abenteuer

„Hundepark“ ist einerseits ein bedrückender, sehr politischer Roman, der die Augen öffnet und wütend macht. Andererseits hat er Thrillerqualitäten, die fesseln und den Atem rauben.
Schreiblust Leselust

Mit „Hundepark“ beweist Sofi Oksanen einmal mehr, dass sie schwierige und ungewöhnliche Themen souverän zu handhaben weiß.
Deutschlandfunk, Irene Binal

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