{Rezension} Im Spiegelsaal von Liv Strömquist


Lesedauer: 5 Minuten

Bereits 2003 schrieb die Philosophin Susan Bordo, dass wir in einem „Imperium der Bilder“ leben. In den letzten Jahren wurde diese Theorie mehr und mehr zur Realität: Eine iPhone-Kamera in jeder Hand, und dank der weit verbreiteten Social-Media-Nutzung ertrinken wir in einer Flut der Bilder. Wir kommunizieren durch Bilder, wir verabreden uns mittels Bildern, wir berichten aus unserem Leben mit Bildern und wir erfahren über das Leben anderer durch Bilder.

Wie hat sich unser Schönheitsempfinden dadurch verändert? Diese Frage wird in fünf Essays, die sich dem Thema jeweils aus einer anderen Perspektive nähern, untersucht. Die Schwedin Liv Strömquist ist ein Phänomen. Ihre augenzwinkernden, minutiös recherchierten Sachcomics gehören zu den meist verkauften Graphic Novels weltweit.

Geht es um feministische Sachcomics, ist Liv Strömquist die Königin der ironisch aufgeheizten Bilder und ihrer scharfzüngigen und fundierten Texte. In ihrem aktuellen Comic »Im Spiegelsaal« geht die Schwedin der aktuellen Frage um Schönheitsideale, die Macht der Bilder und Selbstbetrachtung nach und deckt dabei auf, wie sich diese im Laufe der Jahrhunderte veränderte.


© avant Verlag/Liv Strömquist

Strömquist bezieht unter anderem die mimetische Theorie des Philosophen René Girard mit ein, der die Vermutung aufstellt, dass der Menschen das begehrt, was andere Menschen begehren und die These vertritt, dass der Wettkampfaspekt den Wettbewerb um Schönheit befeuert und sich dadurch Schönheitsideale verfestigen.

Hierzu gibt es einen Ausflug in die Geschichte zur österreichischen Kaiserin Sissi, die mit der französischen Kaiserin Eugénie um die schlankeste Taille konkurrierten und somit ein ungesundes Schönheitsideal erschufen. Es kann aber auch ein Fauxpas aufgegriffen werden, der Girards mimetische Theorie unterstützt, so versengte sich der französische König Francois I. an einer Fackel seine Haare und sorgte damit für den Trend von Kurzhaar-Frisuren bei Männern, die bis heute gängig ist.


© avant Verlag/Liv Strömquist

Das Besondere an Liv Strömquist Sach-Comics ist für mich die brillante Verbindung zwischen Historischem und Modernem unter der Inbezugnahme von fachlichen Expertisen von Historiker*innen, Philosoph*innen, Soziolog*innen u. v. m. Sogar die Bibel findet Eingang in Strömquists Comic, mit der Geschichte über Rahel und Lea aus dem Buch Mose, die deutlich aufzeigt, dass die Liebe zur Schönheit schon vor langer Zeit tief im Menschen verwurzelt ist.


© avant Verlag/Liv Strömquist

Die Zeichnungen von Liv Strömquist kommen in ihrem üblichen gewitzten Stil daher und werden durch die abwechslungsreiche Kalligraphie der Texte unterstützt. Unterhaltsame Lesestunden mit Aha-Effekt hat mir das Buch auf jeden Fall bereitet ohne dabei jedoch große Neuigkeiten aufzudecken, sondern das in Worte zu fassen, wie wir Menschen ticken, was uns beeinflusst und wie wir uns zu einer Gesellschaft entwickelt haben, in der Attraktivität und Fuckability zu einem wichtigen Lebensbestandteil geworden sind.


Wieder ein eindrucksvoller Sachcomic von Liv Strömquist, dieses Mal über Schönheitsideale im Wandel der Zeit bis heute, mit dem Hinblick auf die Veränderung durch Soziale Medien und Selfiekultur.

★★★★☆

*WERBUNG*

Titel: Im Spiegelsaal
Autorin/Illustratorin: Liv Strömquist
Übersetzerin: Katharina Erben
Genre: Comic
Verlag: avant
ISBN-13: 978-3964450623
Format: Softcover
Seitenanzahl: 168 Seiten
Preis: 20,00 €
Erschienen: 1. Oktober 2021

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Liv Strömquist, geboren 1978 in Lund, Schweden, ist eine der einflussreichsten feministischen Comiczeichnerinnen.

Die studierte Politikwissenschaftlerin zeichnet regelmäßig für unterschiedliche schwedische Magazine und Zeitungen. Ihre Buchveröffentlichungen befassen sich mit sozialen Fragen mit einer Bandbreite an Referenzen von Popkultur bis zur Bibel. Ihr Titel „Der Ursprung der Welt“ befasst sich mit der gesellschaftlichen Tabuisierung von Menstruation und der Vulva. Quasi eine Kulturgeschichte der Vulva – von der Bibel bis Freud, vom unbeholfenen Biologieunterricht bis hin zu aktueller Tamponwerbung.

In „Der Ursprung der Liebe“ untersucht sie Beziehungsmuster und findet Antworten auf diese allgegenwärtigen Fragen. Ihre Suche führt sie von der Prüderie des 19. Jahrhunderts, über nordische Göttinnen, Anti-Romantik und soziologische Theorien, bis hin zur Psychoanalyse. Dabei geht sie auch einer Reihe weiterer Fragen nach, wie: Was ist innerhalb einer Beziehung erlaubt und was nicht? War Ronald Reagans Frau Kommunistin? Und war Prinz Charles überhaupt in Diana verliebt?

In „I’m every woman“ behandelt sie den Mythos vom männlichen Genie indem sie Geschichte aus weiblicher Perspektive schildert. Diese Sammlung von kürzeren Geschichten reiht sich in ihre patriarchiekritischen Veröffentlichungen ein. Die Leser*innen begegnen darin diversen Frauen, die sich im Schatten ihrer allseits gelobten und bewunderten Männer bewegen mussten. Strömquist nimmt die Figuren von Jenny Marx, Priscilla Presley und Yoko Ono, die trotz ihrer Beiträge zu den Erfolgen ihrer Ehemänner zu Fußnoten in den Geschichtsbüchern reduziert wurden, und unterzieht sie einer wohlverdienten Rehabilitation.

Liv Strömquists Gesellschaftskritik beruht auf Fakten und kombiniert unbändige Freude an Sprachwitz und berechtigte Wut mit ihren ausdrucksstarken Zeichnungen.

Quelle: avant Verlag


Wer mehr von Liv Strömquist lesen möchte, der bekommt beim “Im Spiegelsaal” mehr vom Gewohnten, und das auch wieder unterhaltsam aufbereitet. Aber in meinen Augen ist das nicht ihr stärkster Comic, was vielleicht daran liegt, dass er sich zu wenig von den Vorgängern abhebt.
Im Buchwinkel

Das Wunderbare an Im Spiegelsaal ist, dass allgegenwärtige Zustände unserer Gesellschaft nicht bloß aufgerollt werden.
Boob Books

Liv Strömquist hat es wieder mal gemacht! Sie kam, sie analysierte und zeichnete.
DeepGround

Liv Strömquists Gesellschaftskritik beruht auf Fakten und kombiniert unbändige Freude an Sprachwitz und berechtigte Wut mit ihren ausdrucksstarken Zeichnungen.
Literaturblog Sabine Ibing

Wieder ein gelungener Band von Strömquist der zum kritischen Nachdenken anregt. Nicht nur über den Band, sondern auch über sich selbst und die Gesellschaft.
Splash Comics

So ganz neu ist das alles nicht, aber Strömquists Schlussfolgerungen werden so prägnant und unterhaltsam präsentiert, dass man das Buch jeder Instagram-hungrigen 15-Jährigen sofort in die Hand drücken möchte.
Süddeutsche Zeitung, Martina Knoben

„Im Spiegelsaal“ ist vielleicht nicht so unterhaltsam, wie viele andere ihrer Comics. Trotzdem bleibt Strömquist die beste feministische Analytikerin der Comicwelt.
rbb Kultur, Andrea Heinze

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2 Kommentare

  1. Hallo Bella,

    schön zu lesen, dass du „Im Spiegelsaal“ mehr abgewinnen konntest, als ich =) Und vielen lieben Dank für die Verlinkung!

    Liebe Grüße,
    Nico

    • Hallo Nico,

      sehr gerne und vielen Dank für deinen Kommentar. Ich konnte dem Werk vielleicht auch etwas mehr abgewinnen, da ich noch nicht alles von ihr gelesen habe. Zumindest schließe ich das so aus deiner Besprechung.

      Ich wünsche dir einen guten Start ins Wochenende!

      Herzliche Grüße
      Bella

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