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Laurie weiß noch immer nicht, wie sie Brian Milner ohne Beklommenheit begegnen soll. Mit ihrem gemeinsamen Freund Jimmy und einigen anderen verbringen sie das Wochenende an einem Bergsee und wie immer hält der verschlossene Brian sich am Rand der Gruppe. Einzig der abseitige Science-Fiction-Film, den sie hier oben drehen, scheint ihn zu interessieren. Der Film, in dem sie die Hauptrolle spielt. Wie auch in Brians nicht minder abseitigem Kopfkino…
Auch im zweiten Teil von “Daidalos” werden Träume zu Inspirationsquellen für die Fiktion – und Kamera oder Bleistift zum Werkzeug, die Brücke zwischen Imagination und Realität zu schlagen.
Quelle: Reprodukt Verlag
Im zweiten Teil der autobiographisch angehauchten Comic-Reihe »Daidalos« von Charles Burns wird die Geschichte um den eigenbrötlerischen Kreativling Brian Milner und seine Freundesclique weitergesponnen.
Die überbordende Fantasie des Hauptprotagonisten nimmt in der Fortsetzung der Story einen großen Raum ein und geht in einen nahtlosen Tanz zwischen „Realität“ und abgefahrenen „Träumereien“ über.
© Reprodukt/Charles Burns
Die Rahmenhandlung lässt sich rasch zusammenfassen: Brian Milner beschäftigt sich viel mit seinen Ideen zum nächsten selbst produzierten Splatter-Film und nach einem Abend mit der hübschen Laurie und seinen Freunden steht ein Wochenende in einer einsamen Berghütte an, die sie für ihren neuen Filmdreh nutzen möchten. Für Brian steckt hinter dem Projekt jedoch nicht nur der Spaß und hinzukommt ein brodelnder Hormoncocktail der jungen Leute, die für Spannungen und eine aufgeheizte Atmosphäre sorgen.
© Reprodukt/Charles Burns
Ein klares Ziel lässt sich allerdings noch nicht erkennen und etwas mehr Nachdruck in der Handlungsentwicklung hätte dem Werk sicherlich auch gut getan. Dennoch bin ich fasziniert von Charles Burns geradlinigen, prägnanten und illusionistischen Bildern, die sich mit ihrer Farbgewalt regelrecht ins Gedächtnis einbrennen.
Der Hormoncocktail einer Clique junger Erwachsener schwimmt mit den Inspirationen zu einem Splatter-Film in ein abstraktes Traum- und Gedankenwerk über. Faszinierendes Comic-Kino!
Titel: Daidalos 2
Originaltitel: Daidalos 2
Autor: Charles Burns
Übersetzer: Heinrich Anders
Genre: Comic
Verlag: Reprodukt Verlag
ISBN-13: 978-3956402937
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 64 Seiten
Preis: 20,00 €
Erschienen: November 2021
Charles Burns wurde in Washington, DC geboren und ist in Seattle aufgewachsen. Bis 1977 besuchte er die Fine Art Class an der University of Washington und studierte von 1977 bis 1979 Malerei und Skulptur an der Graduate School in Davis, CA.
Von 1984 bis 1986 lebte Charles Burns in Italien und hatte dort Kontakt mit der Künstlergruppe Valvoline, bei der auch Lorenzo Mattotti mitgewirkt hat. Sein Interesse an Comics wurde zusätzlich durch ein Treffen mit Art Spiegelman geweckt, der ihn für sein Magazin „Raw“ gewinnen konnte.
Charles Burns‘ Zeichnungen sieht man die Schulung an amerikanischen Comics der 1950er an. Weniger auf Effekte ausgerichtet als auf eine düstere und unheimliche Atmosphäre, schaffen seine kühlen und glatten Zeichnungen das schwer greifbare Gefühl einer Künstlichkeit und diffusen Vergangenheit. Für seine Geschichten bedient sich Burns aus dem Fundus der Nachkriegspulpcomics – von knallharten Detective- und Teenagerstories bis zu EC-Anleihen hat er sich bereits an vielen Genres versucht. In seinen Händen geraten diese aber nicht zu reinen Zitatensammlungen, denn immer wieder schafft er es, durch kleine Details die Genregrenzen zu sprengen.
Charles Burns lebt mit seiner Familie in Philadelphia, PA.
Quelle: Reprodukt Verlag
Auch in Mr. Burns’ aktuellstem Comic „Daidalos“ verschmelzen Realität, Fiktion, Traum und Autobiografie.
Die Zukunft, Christian Endres