{Rezension} Beatrice von Joris Mertens

Jeden Tag macht Beatrice sich morgens fertig, um zur Arbeit zu fahren. Jeden Tag durchquert sie dabei das hektische Gedränge des Bahnhofs. Und jeden Tag sieht sie dort eine rote Handtasche, die auf sie zu warten scheint. Eines Tages gibt Beatrice ihrer Neugierde nach und nimmt die Tasche mit nach Hause. Darin findet sie den Zugang zu einer für sie völlig neuen Welt…

Nach »Das große Los« habe ich mich unheimlich auf die deutsche Veröffentlichung von Joris Mertens Debüt »Beatrice« gefreut, denn mit seinem unglaublich stimmungsvollen und mitreisender Art des Erzählens und Zeichnens (besonders mit dem wunderbaren Spiel von Farbe und Licht), konnte mich der Künstler sofort für sich gewinnen.

Auch in »Beatrice« erzählt Joris Mertens die Geschichte eines Menschen, wie du und ich, ganz ohne Glitzer und Glamour. In diesem Fall entführt Mertens uns in das Leben der Verkäuferin Beatrice und ihren immer wieder gleich ablaufenden Alltag.

© Splitter Verlag/Joris Mertens

Auf ihrem täglichen Weg mit der Bahn zur Arbeit fällt Beatrice eines Tages im dichten Menschengedränge eine verlassene rote Tasche auf, ihre Neugier ist geweckt und als die Tasche nach ein paar Tagen immer noch am gleichen Platz steht, greift Beatrice zu.

© Splitter Verlag/Joris Mertens

Die eintönige Routine ihres Lebens erhält durch den Inhalt der Tasche eine Wendung verpasst, die sich wie ein urbanes Märchen anfühlt, das überhaupt nichts mehr gemein hat, mit dem Beraten von Kundinnen und Kunden, dem Verräumen der Ware und dem Pendeln nach einem anstrengenden Arbeitstag.

© Splitter Verlag/Joris Mertens

Das Fotoalbum aus der roten Tasche hält die glücklichen Erinnerungen eines Pärchens aus den 1920er Jahren zusammen, die Gefühle scheinen zu Beatrice überzuschwappen, vielleicht auch weil die junge Frau auf den schwarz-weiß Fotografien ihr verblüffend ähnlich sieht, und so begibt sie sich auf eine Spurensuche, bei dem die Realitäten ineinander verschwimmen.

Joris Mertens erzählt »Beatrice« ganz ohne Worte, und tatsächlich sprechen die gut gewählten Bildausschnitte und Nahaufnahmen der Titelheldin sowieso alles aus, was hier hätte gesagt werden müssen. Hinzu kommen die stimmungsvoll gewählte Kolorierung, welche vor allem durch das einmalige Lichtspiel brilliert.

Ein meisterhafter Comic über die Einsamkeit in der Großstadt, voller Melancholie und liebevoller Hoffnung und Mystik erzählt.

Erneut großes Kino.
Comic-Denkblase

Joris Mertens bestätigt sein außergewöhnliches Talent für stimmungsvolle, berührende und faszinierende Comics.
Comic-Couch, André C. Schmechta