Interview mit Andrea Gunschera

Heute möchte ich euch mein kleines interessantes Interview mit der Thriller und Urban-Fantasy Autorin Andrea Gunschera vorstellen.

Über die Autorin:

Andrea Gunschera studierte Industriedesign, arbeitete im Bereich der Computergrafik und VisualFX-Industrie und betreute Werbefilme als Creative Director. Ihren Debütroman >>Das dunkle Fenster<< (Politthriller) veröffentlichte Andrea Gunschera im Jahr 2008.

2010 startete Andrea Gunschera mit ihrer Urban Fantasy >>City of Angels<<.

Werke von Andrea Gunschera (Bibliograpie)

 

Bella's Wonderworld: Hallo Andrea, ich möchte mich zuerst ganz herzlich bei dir bedanken, dass du dir Zeit für ein Interview mit mir nimmst.

Andrea Gunschera: Aber immer gerne :)

Bella's Wonderworld: Diese Frage hast du bestimmt schon öfter gestellt bekommen, ich möchte sie allerdings trotzdem noch an dich richten. Wie bist du zum schreiben gekommen? Gibt es (ein) Vorbild(er) für dich?

Andrea Gunschera: Wie viele andere auch habe ich im Schulalter Geschichten in karierte Heftchen geschrieben, vor allem Wild-West-Märchen, inspiriert von Karl May. Allerdings würde ich lügen, wenn ich behaupte, es sei schon immer mein größter Traum gewesen, Schriftsteller zu werden. Eigentlich wollte ich nämlich Archäologe werden, und mein Vorbild war, ganz klar, Indiana Jones.

Mit den Jahren verlor sich das Schreiben zugunsten anderer Hobbys, das Studium begann. Allerdings nicht Archäologie, sondern Design. Erst etliche Jahre später fand ich zum Schreiben jenseits von Fachaufsätzen und Artikeln zurück, und zwar über eine Story zu einem Computerspiel. Das Spiel schaffte es nie über die Konzeptphase hinaus, aber die Geschichte mit ihren Charakteren war mir ans Herz gewachsen und ich fand es schade, sie einfach verrotten zu lassen … also begann ich, völlig ohne Hintergrundwissen, einen Roman daraus zu schreiben. Es dauerte fünf Jahre und das Manuskript ist zu scheußlich, um jemals das Licht der Welt zu erblicken. Aber ich hatte Spaß an der Sache gefunden und begann mich mit den theoretischen Grundlagen des Handwerks vertraut zu machen. Ich entdeckte Kurzgeschichten als willkommene Textform für Experimente in neuen Genres, ich tauschte mich mit Gleichgesinnten aus, ich wuchs tiefer in die Materie hinein. Mein nächstes Script war ein Thriller und wurde veröffentlicht. Seither schreibe ich einen Roman pro Jahr.

Vorbilder unter anderen Autoren habe ich viele. Vor allem natürlich die, die ich selbst gern lese. Der amerikanische Thriller-Autor Daniel Silva war lange Zeit mein größtes Vorbild, seinen Büchern habe ich viel in meiner eigenen Stilbildung zu verdanken. In die gleiche Ruhmeshalle gehören auch Barry Eisler und der ScienceFiction-Autor Richard Morgan, die beide unvergleichlich packend zu schreiben verstehen. Niemals habe ich bessere und explosivere Action gelesen, in Büchern, die zugleich noch große Vielschichtigkeit und brillant ausgearbeitete Charaktere zu bieten haben. Dann muss ich unbedingt noch Andrzej Sapkowski erwähnen, mit seinen Fantasy-Romanen um den Hexer Gerald von Riva, der mich mit seiner Mischung aus Epik, Melancholie und Ausbrüchen plötzlicher Fröhlichkeit immer wieder inspiriert und dessen Schreibstil ich zutiefst bewundere. Und Lilith Saintcrow, die für mich beste UrbanFantasy-Autorin, die ich kenne. Ihre Serienheldinnen Jill Kismet und Dante Valentine sind unvergleichlich.

Bella's Wonderworld: Du arbeitest in dem Bereich Computergrafik- und VisualFX-Industrie und betreust Werbefilm-Produktionen als Creative Director. Was macht dir besonders Spaß an deiner Arbeit?

Andrea Gunschera: Das Faszinierendste für mich an diesem Job ist vielleicht, dass man nie zweimal das Gleiche tut, dass jedes Projekt erfordert, sich in neue Technologien einzuarbeiten oder vielleicht sogar eine Herangehensweise zu erfinden, die es bislang noch nicht gab.

Diese Industrie entwickelt sich so schnell, dass jede Innovation nach einem halben Jahr zum Alteisen gehört. Das ist manchmal anstrengend, aber es macht auch großen Spaß. Es hat viel mit Kreativität zu tun und dann mit Beharrlichkeit und manchmal übermenschlichen Anstrengungen, um die Vision auch Realität werden zu lassen.

Wir arbeiten mit Technologien, die kaum ein paar Monate alt und nicht erprobt sind und bei denen niemand weiß, ob sie funktionieren werden. Aber dann bringen wir sie eben zum Funktionieren, weil es nur das Ergebnis ist, das zählt. Die Begeisterung des Publikums, wenn etwas gut funktioniert hat, wenn ein Konzept aufgeht, wenn wir die Leute mit einer tollen Inszenierung oder einer gut erzählten Story inspiriert haben. Das ist jede Anstrengung wert.

Im Kern ist das also nicht so viel anders, als ein Buch zu schreiben. Nur, dass das Bücherschreiben einsamer verläuft.

Bella's Wonderworld: Was für ein Gefühl war es, dein erstes gedrucktes Buch in Händen halten zu können?

Andrea Gunschera: Ein gutes Gefühl. Ein großartiges Gefühl. Viel Stolz und viel Glück, die Arbeit von mehr als einem Jahr physikalisch vor sich zu sehen. Dicht gefolgt von nervöser Aufregung, wie die Leser es aufnehmen würden. Und ich kann für mich sagen, dass es auch nach dem dritten oder vierten Buch noch so ist.

Bella's Wonderworld: Nach deinem Debütroman >>Das dunkle Fenster<< (Politthriller 2008) hast du deine Urban Fantasy Reihe >>City of Angels<< gestartet. Wie kam es zu diesem Genrewechsel?

Andrea Gunschera: Ich fühle mich als Autorin in Fantasy und Thriller gleichermaßen zu Hause. Und Urban Fantasy besitzt das Potential, das Beste aus beiden Genres zu vereinen. Deshalb sagte ich sofort zu, als mein Hausverlag mich fragte, ob ich ihnen nicht einmal ein UrbanFantasy-Script anbieten könnte, da sie ihr Programm in diesem Bereich ausbauen wollten.

Ich entwarf die City-of-Angels-Reihe, zu einem Zeitpunkt, als das Genre von Vampiren überflutet war. Viele Verlage versuchten, auf die von Twilight ausgelöste Welle aufzuspringen und druckten alles, was Reißzähne hatte. Ich wollte allerdings keinen weiteren Klon der erfolgreichen Serien schreiben und suchte meine mythologische Inspiration etwas abseits ausgetretener Pfade. Ein Jahr später war der erste Band, Engelsbrut, fertig. Und wie sich kurz darauf herausstellte, war ich mit meinem Konzept nicht allein, denn zahlreiche andere Autoren wandten sich von den Vampiren ab und anderen mythischen Wesen zu, wie Engel, Feen oder – seit neuestem – Meerjungfrauen, die sie mit einer modernen Welt konfrontieren.

Bella's Wonderworld: Vielleicht könntest du den Lesern, die noch keine deiner Bücher gelesen haben, kurz erzählen was sie in deiner Reihe erwartet?

Andrea Gunschera: Die City of Angels Serie spielt in Los Angeles und handelt von Schattenläufern, den Nachfahren gefallener Engel, die Söhne mit Menschenfrauen zeugten.

Schattenläufer sehen menschlich aus, doch verfügen über feinere Sinne, eine viel höhere physische Widerstandsfähigkeit und vor allem regeneriert ihr Blut fast jede Verletzung. Das macht sie sehr langlebig, sie können viele hundert Jahre alt werden.

Die Einzelbände des Buches erzählen jeweils eine in sich abgeschlossene Geschichte mit einem eigenständigen Set von Protagonisten, so dass man sie auch unabhängig voneinander lesen kann, wenn man möchte. Dennoch gibt es eine Reihenfolge, sie sind in eine größere Rahmenhandlung eingebettet, die sich um den gefallenen Engel Asael dreht, der wieder zum Leben erweckt wird.

Der erste Band, Engelsbrut, dreht sich um die Reporterin Eve Hess, die über eine brutale Mordserie an Obdachlosen schreibt. Durch Zufall trifft sie auf den geheimnisvollen Maler Alan, der sie sofort fasziniert. Alan ist ein Schattenläufer und scheint etwas über die Morde zu wissen. Als kurz darauf Kain auftaucht, ein Killer, der Eve töten soll, gerät sie in höchste Gefahr. Und auch mit Alan hat Kain noch eine Rechnung offen…

Bella's Wonderworld: Wie kamst du auf die Idee über Engel zu schreiben, und wie sahen deine Recherchearbeiten für diese Romane aus?

Andrea Gunschera: Ich war auf der Suche nach einem Mythos, der sich möglichst glaubwürdig mit der realen Welt würde verweben lassen. Wenn sich der Leser fragt, ob etwas wirklich so geschehen sein könnte, wenn er vollkommen eintaucht in eine Welt, obwohl sie eigentlich fiktiv ist, dann ist das für mich die schönste Befriedigung.

Ich habe den biblischen Mythos gewählt, weil sich damit eine solche Verknüpfung gut herstellen lässt – und natürlich, weil ich die Legende der gefallenen Engel unglaublich faszinierend finde. Im Buch Henoch, einem der Apokryphen, wird beschrieben, wie Gott eine Gruppe von Engeln auf die Erde sandte, um das Paradies zu errichten. Doch sie erblickten die Menschenfrauen und verliebten sich in sie und zeugten Kinder mit ihnen, obwohl ihnen das verboten war. Ihre Nachkommen, die Nephilim, konnten bald nicht mehr ernährt werden und verwüsteten plündernd das Land. Zugleich versanken die Menschen in Sünde und Gewalt, weil sie von den himmlischen Geheimnissen verführt wurden, die die gefallenen Engel ihnen verraten hatten. Gott zürnte ihnen und sandte seine Erzengel, unter ihnen Raphael, um die Gefallenen einzukerkern. Und er brachte die Sintflut über die Reiche der Menschen, um die Nephilim auszutilgen.
Ein Zitat aus dem Buch Henoch steht auch im Prolog von ‚Engelsbrut‘.
Von dieser Geschichte aus habe ich meine Lieblingsfrage gestellt: Was wäre, wenn? Was wäre, wenn einige der Nephilim die Sintflut überlebt und ihre Blutlinie fortgesetzt hätten? So entstanden die Schattenläufer, ein Kernelement meiner Serie.

Ich recherchiere viel alte Geschichte (da leuchtet die Archäologie wieder durch, wie man sieht), vor allem über das Zweistromland, Babylon, Persien usw. Dazu kommt Recherche von Spezialthemen, die für die jeweiligen Bände wichtig sind. Für ‚Engelsjagd‘ beispielsweise habe ich mich wochenlang über Blutkrankheiten, verbotene Pestizide und Sektenbewegungen in den USA belesen. Schließlich recherchiere ich noch Schauplätze, meist vor Ort, indem ich selbst hinfahre – oder ich entdecke spannende Gegenden, die ich dann in die Bücher einfüge.

Bella's Wonderworld: Gibt es eine Figur aus deinen Romanen die dir besonders ans Herz gewachsen ist? (Wenn ja warum?)

Andrea Gunschera: Natürlich entwickle ich eine innige Beziehung zu meinen Protagonisten, während ich über sie schreibe.

Besonders in mein Herz geschlichen hat sich allerdings eine ambivalente Figur, ein Mann, der in Engelsbrut zeitweise die Rolle des Antagonisten besetzt: Der Auftragskiller Kain, ein eiskalter und berückend schöner Todesengel, der versucht, seine eigenen Dämonen in Rache und Blut zu ersticken. Kain ist ein zerbrochener, scharfkantiger Charakter, der sich keiner gesellschaftlichen Norm beugt, nur seinen eigenen Prinzipien folgt und sich nimmt, was er haben will. Er kennt keine Gnade, ist rücksichtslos, auch sich selbst gegenüber. Vor allem sich selbst gegenüber.

Und jetzt schafft er es in ein eigenes Buch.

Bella's Wonderworld: Dieses Jahr erscheint der dritte Band aus deiner >>City of Angels<< Reihe >>Engelsdämmerung<<. Kannst du uns evt. schon etwas darüber verraten?

Andrea Gunschera: ‚Engelsdämmerung‘ (AT) widme ich eben dieser Figur, Kain. Er wird von einer geheimnisvollen Organisation, dem Orden der Raphaeliten, angeheuert, um eine besondere Beute zu jagen. Die Witterung des Engels Asael, der nach vielen tausend Jahren wieder auf der Erde wandelt, hat ein uraltes Übel aus dem Schlaf gerissen: Den Nazgarth, den dunklen Jäger, der einst vom Erzengel Raphael erschaffen wurde, um die abtrünnigen Engel zur Strecke zu bringen. Nachdem keiner der Gefallenen mehr übrig war, wurde der Nazgarth zu einer Gefahr für die Menschen und die Raphaeliten lockten ihn in eine Falle und versetzten ihn in einen ewigen Schlaf. Nun zerrt der Nazgarth an seinen Ketten und schickt seine Kreaturen aus, um die Siegel zu finden, die seine Gruft verschließen: sieben Juwelen, über die ganze Welt verstreut.

Kain soll die Diener des Nazgarth töten und die Juwelen in Sicherheit bringen. Gegen seinen Willen stellen ihm die Raphaeliten eine junge Frau zur Seite, Anna, eine Spezialistin der Alten Sprachen und Legenden, die ihm helfen soll, die Steine aufzuspüren.

Gleichermaßen unfähig, einem anderen Menschen zu vertrauen, arbeiten sie gegeneinander, statt ihre Kräfte zu bündeln. Bis das Schicksal sie in finsterster Nacht aneinander kettet. Und von ihrer Entscheidung nicht nur ihr Leben abhängt, sondern möglicherweise die Zukunft der Welt.

Bella's Wonderworld: Wie viele Bände hast du für die >>City of Angels<< Reihe geplant?

Andrea Gunschera: Das ist noch offen. Ich denke, ich werde die Serie weiterschreiben, so lange mir die guten Ideen nicht ausgehen und die Leser weiterschmökern wollen. Fest geplant sind aber noch mindestens zwei weitere nach ‚Engelsdämmerung‘.

Bella's Wonderworld: Arbeitest du gerade an (einem) neuen Projekt(en)?

Andrea Gunschera: Ich arbeite derzeit am Konzept für eine aufregende neue Urban-Fantasy-Welt, die wirklich ganz andere Wege geht und insgesamt sehr märchenhaft-mystische Züge trägt. Ein klein wenig will ich schon verraten, auch wenn das alles noch seine Reife braucht: Es kommt ein junger Mann namens Ken darin vor, und Santino, ein charismatischer Kriegermagier, der eine Welt aus Asche hinter sich zurückließ und sich in seiner Jahrtausende währenden Existenz viele Feinde gemacht hat, und ein Wildfang von Prinzessin mit überbordendem magischen Talent.  Wir erfahren, was es mit dem Buchstabensammler auf sich hat. Und es gibt magische Portale, einige davon mitten in Boston, die man nur mit dem richtigen Schlüssel öffnen kann – und dieser Schlüssel kann alles Mögliche sein, zum Beispiel ein gepfiffenes Lied oder ein kleiner Hund, der im Kreis läuft oder ein Kettchen mit einer Kirschblüte aus Saphirglas.

Wie das alles zusammenhängt … tja, das fügt sich gerade. Aber ich denke, gegen Ende des Jahres gibt es da mehr zu berichten.

Bella's Wonderworld: Du gehst selbst einer kreativen Arbeit nach. Wie gefallen dir da die Cover für deine Romane? (Hast du diese evt. sogar selbst gestaltet?)

Andrea Gunschera: Ich liebe diese Cover. Ich finde sie wirklich gelungen und konnte mich anfangs kaum daran satt sehen. Selbst gestaltet habe ich sie allerdings nicht, obwohl ich ab und an tatsächlich auch ein Cover-Design für andere Bücher mache.

Die Einbände der City of Angels Serie im Sieben-Verlag werden vom Künstler Mark Freier erstellt.

In der LYX-Ausgabe ist das Engelsbrut-Cover ja deutlich düsterer und dramatischer, was mir allerdings auch gut gefällt. Ich könnte nicht einmal genau sagen, welcher der beiden Varianten ich den Vorzug geben würde.

Bella's Wonderworld: Liebe Andrea, vielen Dank für das Beantworten meiner Fragen. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft und deine weiteren Projekte!

Andrea Gunschera: Vielen Dank! Das Interview hat mir viel Spaß gemacht und ich freue mich, auf Deinem Blog Rede und Antwort stehen zu können!
 

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